Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Flexibilität! Nur welche?
Dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine zunehmend große Rolle im Wechselspiel zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern spielt, ist Tatsache. Im November 2014 befragten die Roland Berger Strategy Consultants in Kooperation mit der Gesellschaft für Konsumgüterforschung Arbeitnehmer zu ihren Wünschen. Die Ergebnisse der Studie „Die Neue Vereinbarkeit“ zeigen, dass Familienfreundlichkeit eines Unternehmens für 75 Prozent der Befragten zwischen 25 und 39 Jahren die Wahl des Arbeitgebers bestimmt. Für 75 Prozent der 25- 39jährigen ist dieser Aspekt so wichtig, dass sie sogar zu einem familienfreundlicheren Arbeitgeber wechseln würden. Bei den 40- bis 49jährigen sind es immerhin noch 60 Prozent. Das erscheint zunächst überraschend.Sind es doch in erster Linie die U3-Kinder, die versorgt werden müssen und für die es in Deutschland nach wie vor noch nicht ausreichend Betreuungsplätze gibt. Aber stimmt das wirklich? Was ist mit all den älteren Kindern, die zwischendurch krank werden? Wie überbrückt man rund 70 Ferien- und Feiertage jährlich? Im Zeitalter der G8: Wie leistet man schulische Hilfestellung? Und was, wenn die eigenen Eltern dann auch noch Pflege brauchen?
Vollzeitnah – das neue Ideal
Die Studie zeigt auch, dass beide Elternteile sich wünschen, in Vollzeit oder „vollzeitnah“ zu arbeiten und dass man sich die Familienarbeit fair teilen möge. Ferdinand Knauß hat im Handelsblatt darauf mit dem Artikel „Die Lüge von der Vereinbarkeit“ reagiert: „Eine wachsende Zahl junger Frauen und Männer löst die Vereinbarkeitsillusion auf einfache Weise auf: Sie verzichten auf die Gründung einer Familie. Sie nehmen Roland Berger beim Wort und flexibilisieren ihr Leben ganz und gar: keine Kinder, kein Betreuungsproblem, kein schlechtes Gewissen, kein Stress. Am besten nicht einmal ein fester Partner, der die berufliche Mobilität einschränken könnte.“
Das ist die Realität. Denn seien wir doch mal ehrlich: Bei aller Flexibilität funktionieren Familien, deren Eltern Vollzeit(nah) arbeiten doch nur dann, wenn alles perfekt durchgeplant ist: Eine Kinderfrau kümmert sich um den Nachwuchs, übernimmt die Erziehung, die Nachhilfe und am besten die Pflege der Großeltern direkt mit. Nur so funktioniert es – wenn man das will. Bei zwei in Vollzeit tätigen Eltern käme es einem Wunder gleich, internationale Karriere zu machen, sich um die Kinder zu kümmern, die kranken Eltern zu betreuen und dann noch eine glückliche und erfüllte Beziehung führen. Wie soll das gehen? Und warum? Brauchen nicht manche Dinge im Leben zumindest für eine gewisse Zeit unsere ungeteilte Aufmerksamkeit? Als Betreiber der Plattform CSR Jobs kennen wir die Wünsche von Arbeitnehmern. Sie wünschen sich einen erfüllten Job, sind engagiert und motiviert, möchten aber nicht auf Familie und Zeit für persönliche Entfaltung verzichten. Mehr denn je wünschen sie sich Arbeitgeber, die das verstehen.
Öffentliche Wahrnehmung
Deshalb ist es wichtig, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die öffentliche Wahrnehmung rückt. Es ist gut, dass es Angebote gibt, die zumindest versuchen, das enge und unzeitgemäße Korsett der festgelegten Arbeitszeiten und der Zeit für die Familie zu durchbrechen. Und auch das ist nicht unproblematisch. Denn wenn wir ehrlich sind, kann es durchaus sehr angenehm sein, die Tür hinter sich zu schließen, ins Büro zu fahren und dort in Ruhe seiner Arbeit nachzugehen. Ohne Flexibilität, ganz klassisch und ungestört. Deshalb überrascht es wenig, dass nach Angaben der Berger Studie fast die Hälfte der Bevölkerung für die eigene Familie weiterhin den Eindruck hat, dass sich Beruf und Familie nicht gut vereinbaren lassen. Die Väter sind hier noch ein bisschen skeptischer als die Mütter.
Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen aber vor allem auch in Notsituationen greifen – und nicht, wenn stressgeplagte Unternehmensberater mit Kind und Kegel ein Jahr um die Welt reisen wollen. Der Beruf muss mit den Ansprüchen der Familie in Einklang gebracht werden, wenn Eltern pflegebedürftig werden oder Kinder erkranken. Jeder, der ein Elternteil in den Tod begleitet hat oder den Alltag des einen Kindes aufrechterhalten musste, während das andere Kind mit der Partnerin im Krankenhaus ist, weiß worüber ich schreibe. In diesen Situationen ist die Flexibilität des Arbeitgebers gefragt. Also in Situationen, die psychisch und physisch an die Substanz des Arbeitnehmers gehen können.
Alles ist möglich?
Dennoch zeigt auch der oben erwähnte Ausstieg auf Zeit einen Aspekt, der in Zukunft noch eine viel größere Rolle spielen wird. Susanne Garsoffky und Britta Sembach, Buchautorinnen von „Die Alles ist möglich Lüge“, treffen mit ihrer Einschätzung ins Schwarze: wir brauchen eine Gesellschaft, in der das Wechseln von „Phasen der Erwerbsarbeit immer wieder mit Phasen der Familienarbeit abwechseln können, von der Gesellschaft getragen und den Unternehmen gefördert“.
Und auch hier geht es wieder um Entscheidungen. Die aber gesellschaftlich akzeptiert und begrüßt werden müssen. Im Endeffekt geht es also doch um Flexibilität: Aber eine Flexibilität, die in einem viel größeren Rahmen angelegt sein muss, als nur in der freien Entscheidung, an welchen Stunden am Tag und von wo aus ich für meinen Arbeitgeber arbeiten möchte.
Arbeitgeber die vom audit berufundfamilie zertfiziert wurden und sich besonders um die Verienbarkeit von Familie und Beruf bemühen findet ihr hier: Arbeitgeber Familie und Beruf
Der Artikel ist zuerst auf der HR-Plattform Crosswater Job Guide erschienen: Link zum Artikel