Was Schürzen mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun haben
Die Textilproduktion ist noch zu großen Teilen Handarbeit. Doch da Kleidung häufig zu Schnäppchenpreisen angeboten wird, denken wir nur selten darüber nach, wie aufwendig der Entstehungsprozess ist. Auch hinter der Produktion einer KAYA&KATO Schürze stehen viele Menschen: Von den Biobaumwollbauern, über die Menschen, die in Spinnereien, Webereien und der Textilveredlung arbeiten, bis hin zu den Nähereien.
Stefan Rennicke, Geschäftsführer der KAYA&KATO GmbH, verrät im Interview was die Produktion von Schürzen mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun hat und wie man als Unternehmer mit einer verantwortungsvollen Unternehmensführung viel positiven Einfluss in der Textilproduktion nehmen kann.
Unter dem Namen KAYA&KATO produziert ihr Arbeitsbekleidung – zunächst fokussiert auf den Gastronomiebereich. Was unterscheidet euch von anderen Anbietern?
Ich glaube bei uns macht die Mischung den Unterschied: wir arbeiten mit hervorragenden Designerinnen zusammen, die unseren besonderen Style entwerfen. Wir entwickeln gemeinsam mit unseren Partnern neue Stoffe, ausgezeichnete Köche, Gastronomen und Hotels unterstützen uns darin, die Funktionalitäten unserer Produkte zu optimieren, so dass wir immer beste Qualität liefern können. Aber der wohl wichtigste Unterschied ist, dass wir einen stark entwicklungspolitischen Ansatz verfolgen. Kein anderes Unternehmen macht das in dieser Branche so wie wir.
Was heißt das genau, ihr verfolgt einen entwicklungspolitischen Ansatz?
Wir Gründer kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Ich war beispielsweise zehn Jahre in der internationalen politischen Zusammenarbeit tätig. Einer meiner Arbeitsbereiche war die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern. Ich habe unzählige Entwicklungsprojekte gesehen und bin fest davon überzeugt, dass man als Unternehmer mit einer verantwortungsvollen Unternehmensführung sehr viel erreichen kann. Deshalb war für uns von Anfang an klar, dass unsere unternehmerische Tätigkeit positive Auswirkungen haben soll.
Welche konkreten Maßnahmen beinhaltet das?
Wir sprechen in den Produktionsländern nicht nur mit potenziellen Geschäftspartnern, sondern auch mit Nichtregierungsorganisationen. In Indien beispielsweise haben wir uns Nähereien angesehen und uns auch Zeit genommen, um mit Vertreterinnen und Vertreter von „Save“ zu sprechen. Die Organisation kümmert sich in den indischen Textilzentren Coimbatore und Tiruppur um Textilarbeiterinnen. Die Probleme dort sind vielschichtig und die Arbeit von „Save“ hervorragend: Problematisch ist beispielsweise das Auslagern von Näharbeit in Heimarbeit und damit schwer zu kontrollierende Arbeitsbedingungen. Auch das Ausbeuten von Indern aus dem Norden, die in Wanderungsbewegungen nach Tiruppur kommen, einen Job suchen und kein Wort der lokalen Sprache sprechen, stellt eine umfassende Problematik dar. Jedes Unternehmen, das dort produzieren lässt sollte sich die Zeit nehmen und sich das mal anhören.
Wir werden erstmal nicht in Indien nähen lassen und wenn, dann nur in enger Zusammenarbeit mit „Save“ oder anderen NGOs.
Honorieren eure Kunden euer Konzept?
Unsere Kunden unterstützen durch den Kauf unserer Produkte auch automatisch unser Konzept, und somit tragen sie dazu bei, dass Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten bleiben. Und dabei handelt es sich um Arbeitsplätze mit Zukunft. Der kontrolliert biologische Anbau von Baumwolle ist für uns alternativlos. Genau wie der faire Umgang mit unseren Partnern. Wenn man den gesamten Produktionsprozess kennt – vom Anbau der Baumwolle bis hin zum Verkauf an den Kunden – ist es faszinierend zu sehen, dass im hippen Berlin Mitte in der Küche und im Service unsere Schürzen getragen werden, aus Baumwolle, die in mühsamer Handarbeit bei 30°C von Hand gepflückt und vorher monatelang gehegt und gepflegt wurde. Kaum jemand der Gäste wird sich vorstellen können wieviel Arbeit da drin steckt. Wir nehmen übrigens unsere Produkte immer mit und zeigen sie den Bauern. Damit sie sehen, was aus ihrer Wolle wird.
Warum verlasst ihr euch nicht nur auf die üblichen Siegel und Zertifikate?
Machen wir auch. Aber nicht nur. Wir haben lange darüber nachgedacht, ob wir es überhaupt machen sollen. Wir befinden uns jetzt im Zertifizierungsprozess von GOTS und IVN-Best und schauen mal, ob das für uns zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist und welche finanziellen und zeitlichen Ressourcen gebunden werden. Unsere Partner sind alle GOTS zertifiziert, und unsere Stoffe sind entweder gemäß GOTS, IVN-Best oder tragen das Cotonea Bio-Siegel. Aber unser Geschäftsmodell war von Anfang darauf ausgelegt, dass wir nicht nur ein Siegel vor uns hertragen, um zu zeigen, wie toll wir sind oder eine sogenannte Grüne Produkte Linie im Programm haben, mit der wir entschuldigen, dass der gesamte Rest unter fragwürdigen Bedingungen produziert wird. Mit unserem Handeln – auch ohne Zertifizierung - können wir viel beeinflussen. Nehmen wir das Beispiel Kirgisistan. Das Land in Zentralasien ist muslimisch geprägt. Wenn ich durch Dschalalabad gehe, wo die Bauernkooperative ihren Sitz hat, die die Baumwolle für uns anbaut, sieht man ein weltoffenes und tolerantes Stadtbild. In Gesprächen mit unseren Partnern merkt man aber, dass man besorgt ist, dass Extremismus zunimmt. Die Kriminalität ist im ganzen Land gestiegen. In der Region, wo die Baumwolle angebaut wird, gibt es zudem ethnische Spannungen zwischen Usbeken und Kirgisen. Ich glaube, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit, dazu beitragen kann zu stabilisieren. Wir sind zwar nur ein sehr kleiner Partner, aber vielleicht ein winziger Mosaikstein, der zur Stabilität im Land beiträgt. Ein anderes Beispiel ist Uganda, wo ich in den letzten zehn Jahren sehr häufig war. Auch dort sind durch den Biolandbau – Baumwolle wird nur alle drei Jahre im Fruchtwechsel angebaut - mehr als 10.000 Arbeitsplätze entstanden. In einer Region wo bis 2006 noch Bürgerkrieg herrschte.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Wir wünschen uns noch mehr Kunden, die sich von unserem Konzept und unseren Produkten überzeugen lassen. Vor allem aber würde ich mir mehr Unterstützung durch die Politik wünschen. Die öffentliche Hand als größter Einkäufer von Dienstleistungen und Produkten in Deutschland gibt jungen Unternehmen wie uns keine Möglichkeit in Pilotprojekten zusammenzuarbeiten. Die Hürden durch Nachweise sind so hoch, dass ein Start-up oder junges Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen praktisch ausgeschlossen ist. Deswegen ist es dringend notwendig, dass Behörden des Bundes und Landes Formate entwickeln, mit denen sie jungen Unternehmen und Start-ups, deren Geschäftsmodelle nachhaltige Ziele verfolgen, die Möglichkeit zur Zusammenarbeit geben.
Bilder: KAYA&KATO